X-Men: Erste Entscheidung

Das Kinojahr 2011 war nicht gerade geprägt von großer Originalität. Vielmehr setzte man bei vielen Filmen auf altbewährtes, wie den Neustart von totgeglaubten Franchises. Aber auch wenn das auf den ersten Blick als wenig kreativ aussieht, gelang es dennoch dem ein oder anderen toten Gaul noch einmal Leben einzuhauchen. 20th Century Fox ist dies 2011 zweimal gelungen. Zum einen mit Planet der Affen: Prevolution (doofer deutscher Title, ich weiß), zum anderen mit X-Men: Erste Entscheidung.

Als X-Men 2000 in die Kinos kam waren die großen Hollywoodstudios noch vorsichtig was großformatige Comicverfilmungen anging. Auch die Tatsache, dass man mit Bryan Singer einen hochkarätigen Regisseur hatte, änderte nichts an der Zaghaftigkeit von Fox was das Budget anging. Doch der überraschende Erfolg von X-Men führte nicht nur dazu die Position zu überdenken, sondern mit einem Mal rückten die schon seit vielen Jahren geplanten in greifbare Nähe und weitere, wie beispielsweise Sam Raimis Spider-Man, sollten zeigen wie sehr das Publikum sich darauf stürzte. Im Fall von X-Men gab es noch zwei weitere Fortsetzungen, die zusammen eine Trilogie bilden; auch wenn der dritte Teil unter einem wenig glücklichen Stern gestanden hatte. Weil Bryan Singer zur gleichen Zeit bei Warner seine Version von Superman drehte, feuerte Fox den Produzenten und Regisseur, um Brett Ratner auf den Regiestuhl zu setzen. Ratner, ursprünglich für Superman Returns vorgesehen, bemühte sich zwar redlich einen soliden Abschluss der Trilogie zustande zu bekommen, doch die Qualität von Bryan Singer erreichte er keine Sekunde. Nachdem auch die Umsätze an der Kinokasse nicht so waren wie erwartet, legte man einen vierten Teil der X-Men erst mal auf Eis.

Doch es gab einige Leute, die in Bezug auf das Franchise nicht lockerließen. Einer davon war Hugh Jackman, der mit dem ersten Teil seinen großen Durchbruch hatte. Eben deswegen wusste er ganz genau, was er an Wolverine hatte. Schon lange wollte er einen eigenen Film über die Figur machen, natürlich mit sich selbst in der Titelrolle. Als dann zwischenzeitlich die Rolle von James Bond vakant wurde und Jackman auch dafür im Gespräch war, machte ihm Fox ein Angebot, das er nicht abschlagen konnte. Er würde seinen Wolverine-Film bekommen, den er dann auch mit seiner eigenen Produktionsfirma machen durfte. Allein der Gedanke die freie kreative Gewalt über seine Rolle zu haben ließ Jackman zugreifen. 2009 erblickte nach langen Querelen dann auch X-Men Origins: Wolverine das Licht der Leinwand. Doch auch jetzt entsprach der Gewinn nicht ganz den Vorstellungen der Filmbosse. In der Folge wurde der zweite X-Men Origins-Film, Magneto, auf Eis gelegt. Also musste eine andere Idee musste her.

Was wäre, wenn man zeigen würde, wie sich Dr. Xavier und Magneto zusammengefunden haben. Kenner der Hintergründe zur Comicreihe wissen, dass die beiden verschiedenen Charaktere im Grunde genommen nicht so feindlich gesinnt sind wie es auf dem ersten Blick scheint. Basierend auf der Comicreihe X-Men: First Class entwickelte man eine eigene Geschichte, die, nachdem Matthew Vaughn an Bord war, eine eigenständige Form annahm. Ebenfalls mit der Partie war auch wieder Bryan Singer, der diesmal den Job als einer der Produzenten übernahm. Er war es auch, der Vaughn den Rücken freihielt, wenn es um die Einmischung der Studiobosse ging. Aus gutem Grund, denn Fox war für solche Sachen bekannt, was mehr als einmal kräftig in die Hose ging. Einer der vielen Gründe, der zum Niedergang des Majorstudios führen sollte. Aber das ist Stoff für eine andere Geschichte…

Die Wahl von Matthew Vaughn als Regisseur erwies sich auch als Glücksgriff für X-Men: Erste Entscheidung. Der Filmemacher, der mit Filmen wie Der Sternwanderer und Kick-Ass bemerkenswerte Qualitäten zeigte, nahm sich mit seinem Team der Geschichte vor dem Hintergrund der Kuba-Krise im Jahr 1962 an. Dabei verleiht er dem Film ein Flair, der nicht unbedingt an eine Comicverfilmung erinnert, sondern vielmehr an die klassischen Agentenfilme der 60er Jahre, allem voran den frühen James Bond-Filmen von Sean Connery. Stilistisch orientierte man sich an dem Look des Produktionsdesigners Ken Adam, der nicht nur Bond prägte, sondern auch für Stanley Kubrick arbeitete. So verwundert es nicht weiter, dass der War Room der USA extrem wie der aussieht, den man schon in Kubricks Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben gesehen hat.

Garniert wird das Ganze mit einer interessanten Story, deren Ende zwar absehbar ist, aber mit netten und oft auch witzigen Varianten aufwartet. Dabei zeigt sich wie gut die Autoren sich mit der Vorlage auseinandergesetzt haben, denn die vielen kleinen Andeutungen auf die vorangegangenen Filme sind so unübersehbar wie der kurze, vergnügliche Auftritt von Hugh Jackman als Wolverine. Mit James McAvoy und Michael Fassbender hat man nicht unbedingt Darsteller ausgesucht, die Patrick Steward und Ian McKellen ähneln. Aber sie bringen ganz eigene Qualitäten mit in die Figuren hinein. Immerhin spielt die ganze Geschichte rund vierzig Jahre vor dem ersten X-Men-Film.

Ebenfalls bemerkenswert ist die Besetzung von Kevin Bacon als Bösewicht Sebastian Shaw. Er ist derjenige, der aus Erik Lehnsherr Magneto macht, indem er ihn so lange quält bis seine Kräfte zum Vorschein kommen. Bacon spielt seinen Schurken dermaßen übergroß, wie man es selten in neueren Filmen gesehen hat, eher in den klassischen Bond-Filmen, die hier ganz eindeutig Pate gestanden haben.

Nachdem sich 2006 Vaughn gescheut hatte für X-Men 3 auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen, zeigt er mit First Class eindrucksvoll wie man eine spannungsgeladene Comicverfilmung auf die Leinwand bringt. Hinzu kommen noch spielfreudige Darsteller, bei denen man sofort merkt wie die Chemie stimmt und bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt sind. Vaughn liefert nicht nur einen der besseren Filme des Jahres 2011, sondern auch den besten Beitrag zum bisherigen X-Men-Franchise.

Die technische Umsetzung auf Blu-ray ist erwartungsgemäß so wie man es von einem Film neusten Datums erwartet. Die Schärfe beweist vor allem bei schnellen Sequenzen ihre Stärke, während sie bei Nahaufnahmen etwas zurückbleibt. Dafür beeindruckten der Kontrast und eine natürliche Farbgebung während des ganzen Films. Außerdem sind keinerlei Artefakte oder Schäden erkennbar. Fox liefert einen nahezu perfekten Transfer ab, bei dem manche Mängel auch als Stilmängel gewertet werden können.

Tonmäßig bekommt man einen sehr gut abgemischten Klangteppich geboten, der sowohl in ruhigen als auch in actionreichen Szenen seine Qualitäten beweist. Leider liegt der deutsche Ton wieder einmal mehr nur in DTS 5.1 vor, steht aber seinem englischen DTS 5.1 Master Audio HD-Pendant nur wenig nach.

Das Herzstück der Extras ist die Dokumentation Kinder des Atoms, in der alle Aspekte der Entstehung von X-Men: First Class beleuchtet werden. Interessanterweise bekommt man hier auch einige kritische Untertöne zu hören, die zwar etwas entschärft sind, aber zwischen den Zeilen einiges zu bieten haben. So wird beispielsweise die Rückkehr von Bryan Singer zum Franchise etwas beleuchtet, da er auch als Mitproduzent und Schöpfer der Story mit an Bord ist. Sehr hörenswert ist auch die Tonspur mit dem isolierten Soundtrack von Henry Jackman, dessen Musik zu diesem Film sehr hörenswert ist. Der Cerebro Mutanten Detektor ist leider nicht mehr als eine Spielerei, während die 13 entfallenen und erweiterten Szenen einige interessante Einblicke bieten. Die üblichen BD-Live-Extras runden diese Sektion der Blu-ray ab.

Wer intelligentes Actionkino mag, der ist bei X-Men: Erste Entscheidung genau an der richtigen Adresse. In seiner Ausführung lässt der Film nur wenig zu wünschen übrig. Spielfreudige Darsteller, ein routinierte Regie und zahlreiche nette Drehbucheinfälle machen den Film zu vergnüglicher Unterhaltung. Hinzu kommt noch die technisch nahezu perfekte Umsetzung der BD. Sehr empfehlenswert.

X-Men: Erste Entscheidung
Originaltitel: X-Men: First Class
Regie: Matthew Vaughn
Darsteller: James McAvoy, Michael Fassbender, Rose Byrne, January Jones, Oliver Platt, Kevin Bacon, u. a.
Region: Region BBildformat: 2.35: 1 (anamorph)
Ton/Sprachen: Englisch (DTS HD-Master Audio), Deutsch, Französisch (DTS 5.1)
Special Features: Making of Featurettes, Deleted Scenes, Isolierter Filmmusiktrack, Cerebro Mutanten Detektor, BD-Live