Über das Phänomen Harry Potter muss man nicht viele Worte verlieren. Die Abenteuer des kleinen Zauberers aus der Feder von Joanne K. Rowling sind nicht nur schon lange zu einem festen Bestandteil der Popkultur geworden, sie haben sich auch zu einem lukrativen Franchise entwickelt. Quasi eine Lizenz zum Geld drucken, wie man es schon bei James Bond, Star Trek oder Star Wars erleben konnte. Aber auch wenn man meint alles dazu zu kennen, tauchen immer wieder neue Facetten auf, mit denen man dem Stoff etwas abgewinnen kann.
Meine erste Begegnung mit Harry Potter fand kurz vor dem Erscheinen des ersten Films statt. Neugierig geworden wollte ich wissen, was hinter dem ganzen Hype steckte, der damals noch nicht solche Ausmaße angenommen hatte wie später. Also entschied ich mich für einen Blick in den ersten Band der Reihe. Den bekam ich seinerzeit für kleines Geld in der englischen Originalausgabe. Das Schmökern erwies sich dann als etwas schwerer, was allerdings nicht an der Fremdsprache lag. Schon nach den ersten rund fünfzig Seiten ebbte mein Interesse ab. Es wurde erst wieder geweckt als ich den ersten Film im Kino sah und mir dieser sehr gut gefiel. Der Rest ist Geschichte.
Natürlich habe ich zwischendurch immer wieder versucht auch die Bücher zu lesen, aber immer wieder kamen mir die Filme mehr entgegen. Manche Dinge brauchen ihre Zeit, aber letzten Endes habe ich mich dann doch noch an die Harry Potter-Romane getraut und sie mittlerweile komplett durch. Schnell fand ich heraus, dass die Filme eigentlich nur die Spitze des Eisbergs sind. Die Welt von J. K. Rowling geht viel weiter und einiges davon entdeckte ich mir jeder Seite neu.
Bücher und Filme unterscheiden sich teilweise erheblich. Auf der einen Sachen gibt es einiges, was für den weiteren Handlungsverlauf nicht unbedingt erforderlich ist. Anderseits wurde einiges ausgelassen, was Vieles in den Filmen in sich schlüssiger gemacht hätte. Sehr eklatant fällt dies an der Entwicklung von Neville Longbottom auf, der anfangs noch als Comic Relief erscheint, aber am Ende essentiell im Kampf gegen Voldemort wird. Auch die Rolle von Robby ist in der literarischen Vorlage wesentlich größer. Als freier Hauself nimmt er einen besonderen Stellenwert ein, weil er immer versucht auf seinen Helden zu achten. Dazu nimmt er auch einen Job in der Küche Hogwarts an, wo er von seinen unfreien Genossen eher kritisch beäugt wird. Ebenfalls lesenswert sind die Bestrebungen von Hermine die Hauselfen dazu zu bewegen es Dobby gleich zu tun. Auch wenn diese gar nicht darüber erfreut sind, dass man ihnen die Freiheit schenken will.
Liest man die Reihe wie ich quasi im Block hoch, kommt irgendwann eine Phase, bei der es nur schleppend vor sich geht. Bei mir war es der vierte Band, durch den ich mich durchbeißen musste. Gingen mir die ersten drei Romane noch relativ leicht von der Hand, aber der Feuerkelch entwickelte sich zu einem schweren Brocken. Vor allem den seitenlangen Beschreibungen der Quidditch-Weltmeisterschaft konnte sich relativ schnell nichts mehr abgewinnen. Ermüdend war für mich auch das monatelange Kampieren im Wals in Band 7. Hier kam es mir oft vor, als ob sich die Autorin einmal zuviel im storytechnischen Kreis gedreht hatte. Hier stand ich kurz dafür die Flügel zu strecken. Doch so kurz vor dem Showdown wollte ich dann doch nicht aufgeben. Auf der anderen Seite gab es zahlreiche Momente, bei denen ich die Abenteuer von Harry Potter nicht mehr aus der Hand legen konnte. So verzauberte er mir so die ein oder andere langweilige Nachtschicht.
Nun, nachdem ich die sieben Romane bzw. die E-Book-Gesamtausgabe gelesen habe, ist meine Hochachtung gegenüber der Autorin noch mehr gestiegen. Man spürt deutlich wie sich Harry im Verlauf der sieben Jahre vom Jungen zum Mann entwickelt, der am Ende Lord Voldemort die Stirn bietet. Am Ende webt J. K. Rowling alle Faden der Geschichte zu einem sehr dichten Teppich, der den Leser nur mit wenigen losen Enden zurücklässt. Am Ende steht man an der Harrys Seite und ist froh das Böse einmal mehr in seine Schranken verwiesen zu haben.
Für mich persönlich, der die Filme bereits mehrfach gesehen hat, war die Reise in die literarische Welt von Harry Potter in vielen Teilen noch interessanter als die filmische. Einiges, was auf der Leinwand nur angerissen wurde, erscheint nun klarer und die Dinge, die es nicht dorthin schafften, gaben der ganzen Geschichte eine tiefere Wirkung. Gut, stellenweise rieb ich mich ein wenig an der deutschen Übersetzung, aber dennoch war der Genuss der Harry Potter-Romane ein fesselndes Erlebnis, zu dem ich nur jedem raten kann.
Die hier besprochene E-Book-Gesamtausgabe erschien in der Übersetzung von Klaus Fritz bei Pottermore im Januar 2016. Sie wurde zudem von Olly Moss mit neuen, sehr ansprechenden Covern illustriert.
Harry Potter: Die Gesamtausgabe
von Joanne K. Rowling
enthalten sind folgende Bücher:
Harry Potter und der Stein der Weisen
Harry Potter und die Kammer des Schreckens
Harry Potter und der Gefangene von Askaban
Harry Potter und der Feuerkelch
Harry Potter und der Orden des Phoenix
Harry Potter und der Halbblutprinz
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
erschienen im Januar 2016 bei Pottermore
Übersetzung: Klaus Fritz
Illustrationen: Olly Moss
ISBN: 9781781106518
Umfang: ca. 4350 Seiten