Seit ich 1980 mit dem Lesen der PR-Serie begann, begab ich mich schon öfter auf eine Zeitreise zurück zu ihren Anfängen; meist allerdings in Heftform. Natürlich habe ich zwischendurch auch in den Silberbänden geschmökert, aber ich habe die ungekürzte Version der Handlung meist vorgezogen. Mit allen ihren Längen und Füllbänden. Klar, der Gedanke hinter den Silberbänden ist es sowohl alten als auch neuen Lesern alles in einer strafferen Form anzubieten, die eher an einen großen Roman erinnert. Ein Konzept, das sich bis heute bewährt hat, sonst würden sie nicht so oft in diversen Bestsellerlisten zu finden sein.
Im September 1978 begann man die Reihe, deren futuristisches Design bis heute auffällt. Das liegt nicht nur an dem namengebenden silbernen Einband, sondern auch an das dreidimensionale Titelbild. Für den ersten Band ließ sich Johnny Bruck ein komplett neues Motiv einfallen, das bis heute nicht von seinem Reiz verloren hat. Bei den Covern der folgenden Bände handelt es sich um überarbeitete Versionen bekannter Motive aus der Heftserie. Ebenfalls vorhanden sich passende Risszeichnungen zu den jeweiligen Büchern. Später wurden sie durch Illustrationen von Arndt Drechsler ergänzt.
Ich persönlich finde es interessant in gewissen Abständen nochmal in die ersten PR-Romane reinzuschauen. Vor allem auch deswegen, weil sich im Laufe der Zeit nicht nur die Lesegewohnheiten ändern, sondern auch die Sichtweise auf die eine oder andere Sache der Geschichte. Aber schauen wir erst eben auf diese Anfänge zurück…
Wir schreiben den 19. Juni 1971. Die U. S. Space Force schickt die erste Rakete zum Mond. An Bord der STARDUST befinden sich Major Perry Rhodan, Captain Reginald Bull, Captain Clark G. Flipper und Leutnant Dr. Eric Manoli. Sie sollen den Erdtrabanten als erste Menschen betreten. Der Start funktioniert reibungslos, doch die lunare Landung endet fast in einem Fiasko. Eine seltsame, grüne Energie lässt die STARDUST abstürzen. Nur mit Mühe kann man notlanden. Für Rhodan und seine Gefährten ist klar, dahinter steckt kein natürliches Phänomen. Also rüstet man sich für den schlimmsten Fall, denn noch fürchtete man eine fremde irdische Macht könnte vor den Amerikanern auf dem Mond gelandet sein. Doch Rhodan wäre nicht der Held, wenn er nicht ahnen würde, welche Mächte wirklich im Spiel sind. Zusammen mit Reginald Bull bricht er in einem Panzer auf, um eine Nachricht zur Erde zu schicken. Auch das scheitert an der grünen Energie. Doch die beiden lassen sich nicht beirren, finden ihre Quelle und stoßen auf ein riesiges Kugelraumschiff. Nun merkt auch der letzte, dass eine außerirdische Macht im Spiel ist. Die beiden Terraner werden in das Schiff eingelassen und treffen dort auf Crest und Thora. Die beiden Arkoniden sind nicht allein, aber der Rest der Besatzung hat kein besonderes Interesse an den beiden Erdenmenschen. Sie lassen sich lieber mit Fiktivspielen berieseln. Rhodan und Bull merken sofort, etwas stimmt mit den Begründern eines gigantischen Sternenimperiums nicht. Sie sind degeneriert, lassen alles schleifen. Nur Crest und Thora haben noch genug Initiative. Eben diese Gleichgültigkeit der Arkoniden hat auch zur Notlandung der AETRON geführt, denn für einen solchen Notfall hat man keine Ersatzteile an Bord. Mehr noch, Crest ist zudem an einer Form der Leukämie erkrankt. Sofort bietet Rhodan seine Hilfe an. Widerstrebend nimmt Thora, die Kommandantin, diese an. So bringt man Crest zur Erde. Doch Perry Rhodan will seinen Gast nicht an die amerikanische Regierung ausliefern, vielmehr landet er in der Wüste Gobi, um dort die Dritte Macht zu gründen. Mit Hilfe arkonidischer Technik will er einen Staat zwischen den Blöcken errichten und die Menschheit zu den Sternen zu führen…
…was ihm natürlich auch gelingt, sonst würde die Heftserie nicht bis heute laufen. Das war am Anfang nicht klar, den man dachte bei Pabel Verlag, die Serie würde es auf etwa 30 Ausgaben bringen. Einen Dauerbrenner, der auch über 60 Jahre nach seinem Start den Heftromanbereich bestimmen würde, hatte man nicht erwartet.
In den ersten sechs Silberbänden erlebt man den Aufbau der Dritten Macht, den ersten Versuch einer Invasion durch die IVs, den Aufbau des Mutantenkorps, die Entdeckung einer uralten arkonidischen Festung auf der Venus und eine Reise zur Wega. Dort wehrt man nicht nur die Invasion der echsenhaften Topsider ab, sondern löst auch das Galaktische Rätsel. Und gerade das ist einer der essenziellen Teile der weiteren Handlung. Hier tritt die Superintelligenz ES zum ersten Mal auf, Perry Rhodan und Reginald Bull werden relativ unsterblich, was den Grundstein für die kosmische Ordnung des sogenannten Perryversums legt. Danach muss man sich nicht nur des bösen Overhead erwehren, sondern auch gegen die Galaktischen Händler antreten, die die Position der Erde herausgefunden haben. Die Situation mit den sogenannten Springern spitzt sich dermaßen zu, dass Rhodan und seine Leute den Vorstoß nach Arkon wagen, um dem dort herrschenden Robotregenten gegenüberzutreten. Dieser erweist sich als ein Gegner, der eiskalt logisch denkt und unüberwindbar scheint. Doch Perry Rhodan findet einen weg und kann ihm sogar ein gigantisches Raumschiff abluchsen, mit dem er die Position Terras strategisch stärken kann. Aber die Zeit wird dennoch knapp, denn die Springer kennen immer noch die Lage des Solsystems. Diese darf auf keinen Fall in die Hände des Robotregenten gelangen…
Klingt alles ein wenig vollgepackt, oder? Mehr als man es von den heutigen Zyklen kennt, die mittlerweile auf 50, 100 und mehr Hefte konzipiert sind. Eine langfristige Planung gab es damals noch nicht. Den Zyklus, den man heute als Die Dritte Macht bezeichnet, gab es in dieser Form noch nicht. Man hatte damals eher einer Konzeption wie es heute bei PERY RHODAN NEO üblich ist. Man hangelte sich von Handlungsstrang zu Handlungsstrang, wobei die Übergänge eher fließend waren.
William Voltz, 1978 der Haupt- und Exposéautor von PR, wusste seinerzeit schon, dass man die alten Romane nicht so ohne weiteres in die Silberbände übernehmen konnte. Er merzte Fehler und Wiederholungen aus, überarbeitete auch manchmal Passagen leicht. Zudem versuchte er alles ein wenig zu straffen, was ihm auch gut gelang. Ein Konzept, dass auch von seinen Nachfolgern wie Horst Hoffmann, Hubert Haensel und Dr. Rainer Nagel immer noch weitergeführt wird. Natürlich behutsamer, weil die Gesamthandlung sich im Verlauf immer mehr ineinander verzahnt.
In der Anfangsphase der Silberbände gelang William Voltz das Kunststück die Einzelromane in ihrer Essenz zu erhalten, um sie dann zu einer, fast romanhaften Kompletthandlung zu verbinden. Das fällt vor allem beim ersten Band auf, der wie aus einem Guss zu sein scheint. Dabei bemüht er sich die verschiedenen Stile der Autoren unterscheidbar zu lassen. Auf der einen Seite positiv, andererseits nicht so ganz.
Sicher, gerade die anfänglichen PERRY RHODAN-Romane sind Kinder ihrer Zeit. Es fallen dabei viele Dinge auf, die man aus heutiger Sicht nicht mehr in dieser Form Schreiben würde. In den frühen 1960er Jahren arbeitete man mit Stereotypen und Versatzstücken, die heute wahrscheinlich einen Shitstorm nach dem anderen auslösen würden. Ob es nun rassistische Untertöne sind oder die Tatsache, dass Gucky, im Grunde genommen, damals noch ein kleines, sadistisches Arschloch ist, worunter vor allem der „Sofortaufdummschalter“ Reginald Bull leiten. Perry ist da auch nicht zimperlich, da er einen besten Freund und Stellvertreter ebenfalls nicht recht ernst nimmt; mal vorsichtig ausgedrückt. Das fällt vor allem bei den Romanen von Karl Herbert Scheer auf, der heute manchmal recht schwer lesbar ist. Als ich 1980, mit 13 Jahren, mit der Lektüre von PR anfing, waren Scheers Romane meine großen Lieblinge gewesen. Eben wegen seiner oft sehr geradlinigen, oft eindimensionalen Erzählweise, mit denen man sich in diesen jungen Jahren nicht auseinandersetzte. Vielmehr zählte für mich der daraus resultierende Sense of Wonder, der heute von vielen Lesern anscheinend vermisst wird. Wie oben schon erwähnt, die Lesegewohnheiten und das Empfinden wandelt sich im Laufe der Zeit. Nichtsdestotrotz, Karl Herbert Scheer war ein großer Geschichtenerzähler, kann aber heute nicht mehr ganz so unkritisch betrachtet werden wie früher. Auch wenn aus seinem Geist solch schillernde Figuren wie ATLAN entstanden sind, der später zu einem fundamentalen Bestandteil des Perryversums wurde.
Gleiches gilt nicht nur für Scheer. Auch die anderen Autoren kochten nur mit Wasser, weswegen man ein ähnliches Augenmerk auf sie werden muss. Man merkt deutlich, dass Walter Ernsting seinem Gucky erst später den letzten Schliff verliehen hat. Aus heutiger Sicht ist der Mausbiber nicht unbedingt eine Person, mit der man gerne zusammen sein möchte. Gerade in den frühen Auftritten haftet Ernsting noch an Scheers ursprünglicher Konzeption des Charakters, was sich aber später deutlich ändert. Kurt Mahrs Romane wirken da eher wie eine mathematische Gleichung, was allerdings auch seinen Reiz hat. Sein nüchterner Stil hat auch was. Das zeigt sich gut im vierten Silberband, in der Julian Tifflor eingeführt wird. Tatsächlich war der PR-Klon nur selten nochmal so gut wie hier.
Was mich seinerzeit zum Fan gemacht hat, waren die ersten drei Silberbände. Ich habe im Oktober 1980 mit Band 1000 angefangen und fand ich, ehrlich gesagt, nicht zurecht. In der hiesigen Stadtbibliothek hatten sie die Silberbände, die mir eher lagen. Hinzu kam dann noch die vierte Auflage, in der seinerzeit der Meister der Insel-Zyklus seinen Anfang nahm. So wechselte ich dorthin bis 1982 die 5. Auflage erschien.
Gerade die ersten drei Bände sind für mich ein Teil dessen, was PERRY RHODAN ausmacht. Bis heute zählt Der Unsterbliche (Band 3) in seiner Konzeption zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, die ich im Laufe der Jahre immer wieder gerne gelesen habe. Man spürt hier schon deutlich, wie sich das Bild der Serie langsam zu dem kosmischen Bild verbindet, was die Serie an sich ausmacht. Gut, man hat danach einige Tiefen, wie beispielsweise die Storyline mit dem Overhead und den Springern. Auch manche Füllromane, wie beispielsweise das Barkon-Abenteuer, wirken etwas überflüssig, weil es etwas aus dem Rahmen fällt. Ähnliches gilt auch für den Auftritt von Harno, einer Figur, die immer wieder sporadisch auftritt. Aber auch hier kann man dies auf die Weichenstellung des Weiteren kosmischen Rahmens schieben, der im weiteren Verlauf noch weiter „aufgebohrt“ wird.
Im fünften Silberband geht es, nach weiteren Springer-Eskapade, aus der wenigstens ein neues Raumschiff herausspringt, endlich nach Arkon. Hier toben sich die Autoren dann auch richtig aus. Man bekommt beste Space Opera geboten sowie einen Gegner, der es in sich hat: den Robotregenten von Arkon. Obwohl die Lage zuerst aussichtslos erscheint, gelingt es Rhodan und seinen Mannen in einem wahren Husarenstück ein neues Raumschiff zu stehlen. Obwohl dieser Trick schon bei den Topsidern in Der Unsterbliche (Band 3) angewandt wurde, funktioniert er hier auch recht gut. Eben auch weil die Grundkonstellation etwas anders ist. Im Grunde als ist Perry Rhodan, zumindest hier, nichts anderes als ein Dieb, der sich einfach seine Raumflotte zusammen stiehlt. Sich danach noch als Partner des Giganten anzubieten ist mehr als frech, aber auch lesenswert.
Gelesen habe ich die sechs Silberbände öfter, aber bisher nicht aus einem so weiten zeitlichen Abstand. Dabei fiel mir deutlich auf wie sehr sich meine Lesegewohnheiten geändert haben. Gleichzeitig fielen mir auch die Schwächen deutlicher auf. Schwächen, die mir früher nicht so eklatant aufgefallen sind. Lässt man das aber ein wenig beiseite, macht die Lektüre der alten Romane schon Spaß. Man muss sie nur etwas kritischer angehen. Aber die Storylines selbst mit dem Flug zum Mond, dem Mutantenkorps, dem Galaktischen Rätsel, dem kosmischen Lockvogel und dem Vorstoß nach Arkon und der Kampf gegen den Robotregenten wissen, trotz ihrer Schwächen, immer noch zu fesseln. Trotz aller kritischen Untertöne hat mir das Lesen sehr viel Spaß gemacht.
Perry Rhodan Silberband 1: Die Dritte Macht
ISBN: 978-3-8118-0647-4
Perry Rhodan Silberband 2: Das Mutantenkorps
ISBN: 978-3-8118-0649-8
Perry Rhodan Silberband 3: Der Unsterbliche
ISBN: 978-3-8118-0658-0
Perry Rhodan Silberband 4: Der kosmische Lockvogel
ISBN: 978-3-8118-0667-2
Perry Rhodan Silberband 5: Vorstoß nach Arkon
ISBN: 978-3-8118-0667-2
Perry Rhodan Silberband 6: Der Robotregent
ISBN: 978-3-8118-0680-1
von William Voltz (Hrsg.)
erstmals erschienen im Pabel-Moewig Verlag zwischen 1978 und 1980