Der Gigant aus dem All

1957, kurz nachdem die Sowjetunion mit Sputnik I den ersten künstlichen Satelliten ins All geschossen hat, erreicht die Angst vor dem Kommunismus in den USA einen neuen Grad von Paranoia. Überall sieht man eine Verschwörung der Roten. Die Lage spitzt sich zu, als Nachrichten über einen mysteriösen Einschlag eines Meteoriten vor der Küste Maines die Runde machen. Gleichzeitig wird in den dortigen Wäldern ein riesiges Objekt gesichtet, das ebenfalls Rätsel aufgibt. Als der Junge Hogarth Hughs davon hört, macht er sich auf die Suche nach diesem und stößt dabei auf einen gigantischen Roboter, der im wahrsten Sinne des Wortes vom Himmel gefallen ist…

Unerwartete Erfolge lösen in Hollywood immer eine Lawine noch Nachahmern aus, die sich einen Teil des Kuchens einverleiben möchten. Nach einer langen Durststrecke feierte Disney mit Arielle – Die Meerjungfrau ein glanzvolles Comeback. Kurz darauf folgten heutige Klassiker wie Die Schöne und das Biest, Aladdin und nicht zuletzt Der König der Löwen die ebenfalls zu Kassenschlagern wurden. Natürlich wollte das Warner Brothers nicht nachstehen, denn auch hier gab es eine lange Tradition in diesem Bereich, wenn auch eher mit Kurzfilmen oder den Looney Toons. Also gründete man kurzerhand eine eigene Animationstochter mit den Namen Warner Brothers Feature Animation, um dann gleich zwei Projekte in Angriff zu nehmen. Das eine, Camelot (Das magische Schwert: Die Legende von Camelot), sollte der erste Film des neuen Labels sein. Das andere sollte die Verfilmung eines Jugendbuchklassikers aus dem Jahr 1968 werden: The Iron Giant.

Das beliebte Buch war bereits 1989 von Pete Townshend in musikalischer Form adaptiert worden, aber eine Verfilmung war bislang ausgeblieben. Einer, der sich schon länger mit dieser Möglichkeit auseinandergesetzt hatte, war der Animator Brad Bird, der sich u. a. bei The Simpsons einen Namen gemacht hatte. The Iron Giant war eines seiner Traumprojekte und tatsächlich sprang Warner auch auf die Sache an. Die Arbeit konnte beginnen.

Doch oft steckt der Teufel im Detail. In diesem Fall war es so, dass das Camelot-Projekt an der Kinokasse dermaßen versagte, dass man bei Warner Brothers für einige Zeit keine abendfüllenden Zeichentrickfilme für das Kino produzieren würde. Gleichzeitig begann man bei dem noch laufenden The Iron Giant-Projekt mit Budgetkürzungen. Das Studio sah auch keinen Sinn mehr in der richtigen Vermarktung des Films, was in einem sehr versteckten Kinostart gipfelte. Kein Wunder also, dass der Streifen ebenfalls an der Kinokasse versagte. Aber es gab doch einige Zuschauer und Kritiker, die den Film sehr hoch lobten. Und außerdem war da noch ein neues Medium, das immer mehr an Bedeutung gewann: die seinerzeit frisch aufgekommene DVD.

Eben weil Der Gigant aus dem All in den USA unterging, kam er in Deutschland gar nicht erst ins Kino. Warner Brothers veröffentlichte ihn nur auf Video und DVD. Da erfuhr er das Schicksal, das viele Kinoflops wie Blade Runner oder The Blues Brothers mit ihm teilen: Er wurde zu einem Kultklassiker.

In Deutschland kam Der Gigant aus dem All nie ins Kino [nach meinem Kenntnisstand]. Mehr noch, heute gilt er als eines der besten Beiträge es Zeichentrickfilms, weil er sich deutlich von dem oft so kopierten Disney-Stil unterscheidet. Vielmehr schneidet er Themen an, die nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene anspricht. Er besticht durch eine berührende Story, die keine Sekunde kitschig wirkt. Auch stilistisch unterscheidet sich The Iron Giant von ähnlichen Produkten. So wartet er mit einer Hauptfigur aus, die zwar am Computer entstanden ist, sich aber nahtlos in den übrigen Stil des Films einpasst. Die Technik wird hier nicht als Mittel zum Zweck eingesetzt, sondern dient vielmehr als Unterstützung Verlaufs der Story. Gleichzeitig ebnete er Regisseur Brad Bird den Weg zu Filmen wie Die Unglaublichen und Ratatouille.

Der Gigant aus dem All ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Film zu einem Opfer der Studiopolitik werden kann. Nachdem Camelot (Das magische Schwert: Die Legende von Camelot) sich an der Kinokasse als Desaster entpuppte, schloss man das neue Animationslaben wieder und verlor das Interesse an The Iron Giant. Das hatte massive Budgetkürzungen zur Folge, die die Existenz des Films bedrohten. Die Folge war, dass zwei für die Handlung wichtige Szenen es nicht mehr die Kinofassung schafften. Diese sind jetzt auf der Signature Edition, die zum 25jährigen Jubiläum von The Iron Giant erschien, enthalten. Brad Bird legte dabei Wert darauf, die fehlenden Szenen in traditioneller Animation zu realisieren. Dafür trommelte er noch alle lebenden Mitglieder seines Teams zusammen, damit der gesamte Stil des Films erhalten blieb.

Die langersehnte Blu-ray von Der Gigant aus dem All beinhaltet sowohl die erweiterte Signature Edition als auch die Kinoversion. Beide Fassungen wurden aufwendig restauriert und neu gemastert. So beeindruckt das Bild nicht nur mit einer sehr guten Schärfe, auch die Farbgebung und der Kontrast bewegen sich auf einem sehr hohen Niveau. Der neue Transfer lässt insgesamt nur wenig zu wünschen übrig. Nur der Schwarzwert hätte vielleicht noch etwas intensiver sein können. Aber das ist nun jammern auf hohem Niveau.

Die englische Tonspur liegt DTS HD Master Audio 5.1 vor und überzeugt mit einer überraschend hohen Dynamik. Die Effekte sind sehr gut verteilt, die Dialoge sind ebenfalls klar. Wie so oft bei Warner Home Entertainment liegt die deutsche Fassung nur in Dolby Digital 5.1 vor. Auch wenn sie technologiebedingt nicht so breit gefächert ist wie ihr englisches Pendant, weiß sie dennoch zu überzeugen. Auch hier wird man gut bedient.

Auch bei den Extras hat man sich nicht lumpen lassen. Neben den beiden Schnittfassungen werden dem Zuschauer noch ein alternativer Anfang und einige geschnittene Szenen geboten. Hinzu kommen noch ein sehr informativer Audiokommentar sowie ein ausführliches Making of, das tiefe Einblicke in die Entstehung von The Iron Giant gibt. Ebenfalls sehenswert sind einige Featurettes, die von der alten DVD herübergeholt wurden.

Auf Blu-ray hat Der Gigant aus dem All eine mehr als würdige Umsetzung erfahren. Beide Schnittfassungen liegen in einer nahezu perfekten Präsentation vor, die besser kaum sein kann. Die informativen Extras bieten einen sehr guten Eindruck über die Hintergründe des Films. Viel mehr kann man sich für einen solchen Klassiker nicht wünschen.

Der Gigant aus dem All: Signature Edition
Originaltitel: The Iron Giant: Signature Edition
USA 1999
Regie: Brad Bird
Darsteller:
[Originalfassung]: Jennifer Aniston, Harry Connick, jr., Vin Diesel, James Gammon, Cloris Leachman, Christopher McDonald, John Mahoney, Eli Marienthal, u. v. m.
[Deutsche Fassung]: Nadja Reichert, Johannes Berenz, Jürgen Gluckert, Andreas Rüdiger, Bodo Wolf, Hans-Werner Bussinger, u. v. m.
Region: A, B, C
Bildformat: 2.40:1 (anamorph)
Ton/Sprachen: Englisch (DTS-HD MA 5.1), Deutsch, Französisch, Japanisch, Spanisch, Portugiesisch, Thailändisch (DD 5.1)